Es gibt so Tage.

Heute ist Freitag der 13. – für mich immer ein Glückstag. Während ich das hier schreibe, ist es dreiviertel sechs am Morgen, und ich brühe mir gerade eine Tasse Kaffee – schön stark, weil ich nämlich die ganze Nacht kein Auge zugetan habe. Ich bin todmüde, habe Kopfschmerzen und werde wahrscheinlich nicht zu meinem Seminar gehen, weil das in diesem Zustand keinen Sinn hat.
Aber ich bin zufrieden. Ich glaube, ich bin sogar glücklich. Ich habe nämlich eine Entscheidung getroffen, die verrückt genug ist, um sich gut anzufühlen.

Eigentlich hat alles damit angefangen, dass ich über die Zukunft nachgedacht habe. Wenn man so kurz vor dem Studienabschluss steht, ist das wahrscheinlich normal. Und gleichzeitig habe ich über meine Gegenwart nachgedacht und über meine Vergangenheit – ob die Entscheidungen, die ich getroffen habe, sich im Nachhinein immer richtig anfühlen.

Ich bin wieder einmal am Tag meiner letzten Abiprüfung angekommen, der Tag, an dem mir der Boden unter den Füßen weggezogen wurde. Ich kam nach der Prüfung nach Hause, und mein Vater rief an und sagte: »Guck mal auf der Uni-Homepage. Man kann Altamerikanistik nicht mehr studieren.«

Altamerikanistik war der Studiengang, den irgendjemand da draußen speziell für mich erfunden hat. Zumindest kam es mir so vor, als ich mit fünfzehn die Beschreibung las. Es war wirklich ein Gefühl von: Wow, da hat jemand alles genommen, was mich interessiert – Geschichte, Ethnologie, Archäologie, Sprachen Lateinamerikas, alles aus der indigenen Perspektive – und hat es in einen Studiengang gepackt. Meins.

Und dann kam die Bologna-Reform. In genau dem Jahr, in dem ich Abi gemacht habe. Alle Leute gratulierten mir zu meiner tollen Note: »Damit kannst du alles machen, was du willst!« Während ich die Tränen runterkämpfen musste und dachte: Nein. Eben nicht. Weil es meinen Studiengang nicht mehr gibt. Weil das ein kleiner Magister ist, zu dem es kein Bachelor-Äquivalent gibt.

Am Ende bin ich in der Kulturanthropologie gelandet und glücklich dort geworden, weil ich nicht einfach eine akademische Disziplin, sondern eine Lebensphilosophie fand: Wir neigen dazu, unseren eigenen Standpunkt als selbstverständlich anzunehmen, unsere Werte und Prinzipien als naturgegeben und universell. Aber das sind sie nicht. Das Andere, das, was uns fremd erscheint, ist nicht unverständlich, bösartig, zurückgeblieben oder falsch. Es kommt nur darauf an, das Denken, die Logik dahinter zu verstehen. Was man daraus macht, ist eine andere Sache. Aber diese banal anmutende Erkenntnis war für mich der Kern meines Fachs und ein wesentlicher Grund, warum ich das Gefühl hatte, dass dieser Bachelor für mich richtig war, wenn auch auf andere Weise als Altamerikanistik.

Und dann der Jubelschrei, ich weiß nicht mehr wann: Es gibt einen Master Altamerikanistik. Einen MASTER. In Bonn. Ich mache den. Ich hatte wieder einen Traum: Ich gehe nach Bonn und studiere Altamerikanistik. Ich habe mich so sehr auf den Tag gefreut, an dem ich mich einschreibe und das zu mir sagen kann: Ich studiere Altamerikanistik. Weil es das ist, was ich wirklich machen möchte.

Soweit ist es nie gekommen. Ich bin in Berlin geblieben – weil es in Berlin keine Studiengebühren gab, weil Berlin Berlin ist, weil es hier das Iberoamerikanische Institut gibt und einen interdisziplinären Master. Das war keine Bauch-, das war eine Kopfentscheidung. Und sie war nicht ganz falsch. Es war in vielerlei Hinsicht richtig, dass ich in Berlin geblieben bin.

Aber es war falsch, einen Master zu studieren, gegen den mein Bauchgefühl schon vor Studienbeginn wieder und wieder rebelliert hat.

Er hat auch sein Gutes gehabt. Sehr vieles sogar. Aber unterm Strich habe ich seit Studienbeginn einen Preis bezahlt: Dass es ein Studium ohne Begeisterung war. Es gab Momente des Enthusiasmus, wenn ein Seminar genau meinen Nerv traf – oder ein Text, ein Dozent. Aber dieses tiefgreifende Hey, hier bin ich richtig-Gefühl hatte ich zu keinem Zeitpunkt.

Jetzt schreibe ich an meiner Masterarbeit und bin quasi durch. Ich habe bis jetzt gebraucht, um festzustellen, dass mein kühles Verhältnis zu dem Studium nicht daher kommt, dass ich im ersten Semester soviel Zeit in meine ehrenamtliche Tätigkeit gesteckt habe oder im zweiten Semester soviel im Callcenter arbeiten musste. Es stimmt auch nicht einfach, dass mir die Freude am wissenschaftlichen Arbeit abhanden gekommen ist. Ich habe schlicht und ergreifend das falsche Studium gewählt.

Dann habe ich etwas getan, ohne groß nachzudenken: Ich ging auf die Seite der Uni Bonn. Ich las die Studienbeschreibung der Altamerikanistik und schaute mir das Vorlesungsverzeichnis an.

Und dann begann ich Rotz und Wasser zu heulen.

Weil da überall Sachen standen, die ich damals lernen wollte. Und die ich heute noch lernen will. Weil es in diesem Studiengang um Dinge geht, die mir das Herz höher schlagen lassen. Weil das meiner ist. Weil den irgendjemand für mich erfunden hat, weil ich jahrelang davon geträumt habe, mich dann davon verabschieden musste – danke, Bologna -, eine zweite Chance bekam und sie ausgeschlagen habe, weil es in jenem Moment das richtige war, sich für Berlin zu entscheiden. Und so richtig das war: Es war gegen den Traum.

Die Studiengebühren sind mittlerweile abgeschafft. Der Master läuft seit einigen Jahren, und die Studenten sind keine Versuchskaninchen mehr. Im Vorlesungsverzeichnis gibt es nun wesentlich mehr Veranstaltungen zum Andenraum als noch vor ein paar Jahren. Kurz: Fast alle Argumente, die ich damals gegen Bonn in der Hand hatte, gelten nicht mehr.

Es ist verrückt, aber es ist beschlossen: Wenn ich meinen Master hier in Berlin in der Tasche habe, dann gehe ich nach Bonn und mache noch einen. Das ziehe ich durch. Und wenn ich die Nächte durchkellnern muss, um mir das zu finanzieren. Aber ich werde aus dem Immatrikulationsbüro kommen und dem erstbesten Menschen auf der Straße erzählen: »Ich studiere Altamerikanistik.« Der arme Kerl wird nicht wissen, warum ich Rotz und Wasser heule. Ich stelle mir das vor – und es kribbelt in der Magengrube, so wie sich die verrückten Ideen anfühlen, die sich am Ende als die richtigen erweisen.

Esta entrada la escribí en la madrugada de un viernes 13, día que en Alemania equivale a martes 13. Pero para mí este día siempre ha sido uno de buena suerte. Al momento de escribir, no había pegado un ojo en toda la noche, estaba tomando un café bien fuerte (que me destrozaría el estómago para el resto de este día), y tenía dolor de cabeza. Pero nada de esto importaba, porque me sentía feliz – por haber tomado una decisión lo suficientemente loca para sentirse bien.

Todo empezó cuando la noche anterior reflexioné acerca del futuro, y, en relación con esto, sobre las decisiones que tomé en el pasado. Llegué como siempre al día de mi último examen escolar, cuando regresé muy contenta a casa y mi papi llamó y me dijo: »Fíjate en la página de la universidad. Ya no se puede estudiar Altamerikanistik.«

Altamerikanistik es la carrera que alguien había inventado justo para mí. La descubrí cuando tenía quince años y leí la descripción de la carrera: Historia, antropología, arqueología e idiomas de la América Latina, con enfoque en la perspectiva indígena. La sensación que me dio al leer fue: Wow, ahí alguién ha juntado todo lo que me interesa y lo convirtió en una carrera. ¡Mía!

Pero luego la reforma académica de Bologna lo arruinó todo, porque creó las carreras de Bachiller y Master mientras la Altamerikanistik pertenecía al viejo sistema y por ser una facultad muy pequeña, no podían crear un propio bachiller. Así que terminé estudiando Antropología Cultural, lo que también resultó ser correcto, porque encontré ahí mucho más que una disciplina académica, más bien una filosofía de vida. Todos tendemos a creer que nuestros valores y principios son universales. Mas no lo son, y lo Otro, que nos parece ajeno, no es incomprensible ni malvado o atrasado. Simplemente se trata de entender qué tipo de lógica lo maneja.

Luego descubrí que en la ciudad de Bonn, cerca de Colonia (y lejos de Berlín) habría un Master de Altamerikanistik. Estaba dispuesta a estudiarlo, soñé con el día en que me inscribiría y podría decir »yo estudio Altamerikanistik«.

Pero al fin y al cabo me quedé en Berlín. Por varias razones. Los estudios en Berlín no cuestan (en Bonn se pagaban altos impuestos de estudios), tenemos aquí una excelente biblioteca – el Instituto Iberoamericano – y un Master interdisciplinario. Esta decisión la tomé con la cabeza y no con el corazón. Era, sin embargo, correcto quedarse en Berlín, y ha tenido muchas consecuencias muy buenas para mí. Pero pagué un precio: el precio de un estudio sin verdadero entusiasmo. Porque mi Master nunca me apasionó tal como lo pudo el bachiller.

Me demoré hasta ahora en darme cuenta que simplemente no era lo correcto para mí, o si era lo correcto, que no era suficiente. Y sin pensarlo mucho, fui a la página web de la Universidad de Bonn y volví a mirar el curriculum de la Altamerikanistik, y los cursos que hay en este semestre, y todo.

Y me puse a llorar.

Pues ahí estaban todas las cosas que yo quería aprender. Y que aún quiero aprender. Porque son cosas que hacen que mi corazón lata más fuerte, porque es la carrera que alguien inventó para mí y con la que en ningún momento he dejado de soñar.

Ya no existen los impuestos de estudios en Bonn. El Master ya está bien consolidado y hay varios cursos sobre la región andina (hace un par de años, era casi exclusivamente Mesoamérica). En breve, todos los argumentos que hace unos años tenía en contra de Bonn, ya no son vigentes.

Así que está decidido: Cuando termine mi Master aquí en Berlín, me iré a Bonn y haré otro. Lo haré como sea. Pero saldré de la oficina de inscripción y le diré a la primera persona con la que me tope por la calle: »Yo estudio Altamerikanistik.« Y este pobre tipo no sabrá por qué estoy llorando. Me lo imagino, y se siente bien. Tal como se sienten las ideas locas que al final resultan ser correctas.

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