Das erste Opfer hat der Doppel-NaNo bereits gefordert: richtig, den Blogeintrag von letzter Woche. Doch hier kommt der Halbzeitstand! Mit dabei: ultimative Erkenntnisse, Kakerlaken und Ingwerbonbons.

1. Sí, pero no.

Achtung, pissiges Dezember-Ich!

Achtung, pissiges Dezember-Ich!

Die erste Erkenntnis ist zugleich die verblüffendste: Es funktioniert! Mein eher aus der Not gefasster Plan, morgens »Die gestohlene Stadt« und abends »Das Mädchen mit den Ozeanaugen« zu schreiben, geht bislang auf. Der Wechsel von einem Projekt zum anderen klappt, beide Geschichten laufen. Nicht immer glatt, nicht immer flüssig, aber sie laufen. Kann ich den Doppel-NaNo also schaffen?

Ja, aber nein. Denn da wäre noch die Sache mit dem restlichen Leben und dem Brotjob. (Um meine Miete auch im nächsten Monat noch bezahlen zu können, musste ich zum Beispiel ein Dutzend Texte über Kakerlaken schreiben.) Zwei NaNo-Projekte und eine Handvoll Arbeitspensum: läuft. Anstrengend, aber es läuft. Zwei NaNo-Projekte und ein Hauch Sozialleben: Läuft auch. Ganz ohne Kakerlaken. Aber zwei NaNo-Projekte, Arbeitspensum und Sozialleben? Blinkende Fehlermeldung.

Im Klartext heißt das: Der Doppel-NaNo braucht Zeit und Kraft gleichermaßen. Solange mein Tag nach Plan verläuft, ist alles bestens, aber kaum explodiert irgendwo ein Lama und lilafarbene Außerirdische fluten die Erde, kann ich meine Routine vergessen (man kennt das ja). In der ersten Novemberwoche führte das erzwungene Prioritätensetzen folgerichtig wozu? Genau, kein einziger Text über Kakerlaken. Mein November-Ich gefällt sich als dekadente Bohemienne, die das schnöde Geldverdienen auch mal hintenüberfallen lässt. Schließlich ist es ja nur mein Dezember-Ich, das auf den trockenen Haferflocken sitzenbleiben wird. Ich sehe es schon mit dem Baseballschläger an der Ecke lauern …

2. Planung hilft.

Szenenplan mit akribisch verzeichneten Plotlöchern.

Szenenplan mit akribisch verzeichneten Plotlöchern.

Ende Oktober in heller Panik ausprobiert und in der ersten Novemberhälfte für gut befunden: Der ultimative Szenenplan. Ich plotte immer – ich konsultiere ja auch den Routenplaner, bevor ich einen mir unbekannten Ort aufsuche. Mein Plot verhält sich in der Regel zum tatsächlichen Roman so wie GoogleMaps zum realen Weg: An der U-Bahn nehme ich erstmal den falschen Ausgang, dann ist an der Ecke ein Buchladen und schließlich probiere ich spontan die Abkürzung durch den hübschen Park, den ich auf der Karte gar nicht gesehen habe. (Oder ich biege eine Seitenstraße zu früh ab, um nicht meinem Dezember-Ich mit dem Baseballschläger zu begegnen.) Auch mit Plot bleiben mir also erfahrungsgemäß genug Überraschungen.

Das halte ich auch dieses Mal so, nur dass ich in der Routenplanung etwas näher herangezoomt habe: Jeder Roman hat einen Szenenplan bekommen, Plotpunkte sind erarbeitet, und vor dem Schreiben gibt es für die jeweilige Szene noch mal ein kurzes Brainstorming: Goal, Motivation, Conflict, Disaster. Das ist wie eine kleine Checkliste: Welches Ziel haben die handelnden Figuren in dieser Szene? Was ist ihre Motivation? Was steht zwischen ihnen und diesem Ziel? Und wie endet die Szene? (Es gibt die Empfehlung, dass jede Szene zum Vorantreiben der Handlung mit einem »Nein«, einem »Ja, aber …« oder einem »Nein, und außerdem …« enden sollte.)

Diese Methode gibt mir jetzt im NaNo erstaunlich viel Sicherheit: Sie hilft mir, den roten Faden im Blick zu behalten – und oft sogar, eine völlig leere Szene relativ fix mit Ideen zu füllen. Zwei Stapel Karteikarten sind in diesem November mein Rettungsanker.

3. Druck ist gut.

Was Druck nicht schafft: Spritzige Bildunterschriften.

Was Druck nicht schafft: Spritzige Bildunterschriften.

NaNo ist Druck. Zeit- und Leistungsdruck. Es ist nicht leicht, ihn genau richtig zu dosieren, aber ich merke, wie sehr er mir in der passenden Intensität hilft – und jetzt mit doppelter Last noch mehr. Ich lerne in diesem November so viel wie nie zuvor. Ich habe schon darüber gebloggt, wie es sich anfühlt, wenn Szenen haken. Obwohl es im NaNo mitunter empfohlen wird, bin ich niemand, der über Problemstellen einfach hinwegschreiben kann, und davon hatte ich mittlerweile schon einige.

Aber Tempo und Pensum zwingen mich, ganz besonders aufmerksam auf Misstöne zu lauschen, noch früher als sonst zu merken, wann eine Szene falsch abbiegt. Ich kann mir den Luxus nicht leisten, davonzulaufen und mich hinter dem Sofa zu verstecken (außerdem habe ich zu viel Angst, dort auf eine Kakerlake mit Baseballschläger zu treffen). Ich muss den Problemen direkt auf den Grund gehen, den Finger auf den Ursprung des Hakens legen können und eine Lösung finden. Und das klappt – für mein Gefühl besser als außerhalb des NaNos.

4. Ich habe gelernt.

Autoren beim Kampfschreiben (Symbolbild ohne Tastaturen).

Autoren beim Kampfschreiben (Symbolbild ohne Tastaturen).

Wie schon in den vergangenen Jahren schreibe ich den NaNo in einem großen, bunten, wundervollen und trubeligen Team. Das sind Miteinander und Austausch, die absolut beflügeln. Ich weiß aber aus den letzten Jahren, wie schnell das ins Gegenteil umschlagen kann, gerade wenn der Wettbewerb und der Zahlenvergleich ungesunde Ausmaße annehmen. Dass ich in meinem eigenem Tempo schreibe, niemanden übertrumpfen und niemandem seine Wortzahlen neiden muss, habe ich erfreulicherweise schon vor ein paar Jahren verstanden. Eine weitere Lektion, die später dazukam: Ich muss mich auch nicht mit meinem Vorjahres-Ich vergleichen. (Oder ihm mit dem Baseballschläger auflauern … hörst du, Dezember-Ich?) Das habe ich in früheren NaNos nämlich öfter getan (nur das Vergleichen!), immer mal geguckt, wo ich im Vorjahr am gleichen Tag stand … und es war ungesund.

In diesem Jahr bin ich in Bezug auf das alles wahnsinnig entspannt, und es fühlt sich gut an. Zahlen sind Motivation, kein Druckmittel. Ich schreibe, so weit mich die Geschichten tragen – und genau das danken sie mir.

5. NaNo ist Magie.

NaNo ist Magie.

NaNo ist Magie. Echt jetzt.

Same procedure as every year. Der Flow kommt, auch mit zwei Projekten. Die Geschichten werden beim Tippen unter den Fingern lebendig, und die Figuren entwickeln ihren eigenen Kopf. Querverbindungen entstehen, Puzzleteile fügen sich ineinander, und auf einmal stehen Dinge auf dem virtuellen Papier, die so nicht geplant waren, aber viel mehr Sinn ergeben als alles, was man sich im Voraus hätte überlegen können.

Dazu kommt wieder das Gemeinschaftserlebnis Tintenzirkel, wo Austausch, Feedback, Ermutigung stattfinden. Ich liebe das immer, aber in diesem Jahr habe ich das Gefühl, besonders großartige und wundervolle Kommentare zu meinen Projekten zu erhalten. Das motiviert so ungemein und bestärkt darin, auf dem richtigen Weg zu sein. Insofern war es die beste Entscheidung, das Zweitprojekt in den Novemberzirkus zu stupsen: Es hat dadurch genau den Schwung bekommen, den es brauchte.

Ein wenig umdenken werde ich in der zweiten Novemberhälfte. Ich habe mir den Druck aus dem Kopf genommen, mit beiden Projekten den NaNo schaffen zu »müssen«. »Die gestohlene Stadt« soll die 50k holen, das kann sie auch, weil das Buch – wie erwartet – ein waschechter NaNo-Roman ist, der sich über weite Strecken wie von selbst schreibt. Malú aus Projekt 2 soll 25k bekommen, alles darüber ist Kür. Damit starte ich deutlich entspannter und mit frischem Schwung in den restlichen NaNo, denn das doppelte Pensum hatte mir vorher unbewussten Druck aufgebaut, der anfing, böse an meinen Kräften zu zehren. Und jetzt? Entschuldigt mich, ich geh weiterschreiben. Und wenn ihr mich mit einem Baseballschläger vorbeikommen seht, schickt mich Richtung Januar, okay?

 

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Bildquelle: Pixabay

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